Mikroschadstoffe in Gewässern

Unter dem Begriff der Mikroschadstoffe (auch Spurenstoffe oder Mikroverunreinigungen) verstehen wir Stoffe anthropogener Herkunft, die über verschiedene Eintragspfade in unsere Gewässer gelangen und dort in sehr geringen Konzentrationen zu finden sind. Darunter fallen beispielsweise:

  • Humanarzneimittelwirkstoffe
  • Tierarzneimittelwirkstoffe
  • Röntgenkontrastmittel
  • Pflegemittel
  • Haushaltschemikalien
  • Biozide und Pestizide
  • Chemikalien aus Industrie und Gewerbe

Mikroschadstoffe kommen in Konzentrationen von wenigen Nanogramm bis Mikrogramm pro Liter (10-9 bis 10-6 g/L) in den Gewässern vor und können bereits in diesen geringen Konzentrationen nachteilige Wirkungen auf die aquatischen Ökosysteme haben und/oder die Gewinnung von Trinkwasser nachteilig beeinflussen. Anthropogene Mikroschadstoffe sollten im Trinkwasser und auch im Rohwasser nicht enthalten sein.

Wie gelangen Mikroschadstoffe in die Gewässer?

Ein Teil der Mikroschadstoffbelastungen im Gewässer entsteht durch Direkteinleitungen von Abwasser aus Industriebetrieben sowie durch Einträge aus diffusen Quellen, wie z. B. durch Einträge aus der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen.

Ein anderer, wesentlicher Eintragspfad insbesondere von ubiquitären Mikroschadstoffen in die Gewässer ist die kommunale Kläranlage. In den meisten herkömmlichen Kläranlagen wird das Abwasser mechanisch-biologisch und chemisch-physikalisch behandelt. Mikroschadstoffe werden dabei jedoch nur in geringem Umfang reduziert, weshalb sie bisher weitgehend ungehindert in die Gewässer eingeleitet werden, nur schlecht abbaubar sind und sich in der Regel schließlich dort anreichern.

Mikroschadstoffstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen

Nordrhein-Westfalen verfolgt zur Reduzierung des Ein­trags von Mikroschadstoffen in die Gewässer einen umfas­senden Maßnahmenansatz: Von der Quelle, bei der Anwendung bis hin zu nachgeschalteten Maßnahmen an Kläranlagen (Multibarrierenkonzept).

Das Vor­gehen basiert auf den Erkenntnissen aus dem Programm "Reine Ruhr" (2008) und deckt sich mit den Anforderungen der Spurenstoffstrategie des Bundes, die im Rahmen des Stakeholder-Dialogs "Spurenstoffstrategie des Bundes" erarbeitet wurden. Es werden quellenorientierte, anwendungsorientierte und nachgeschaltete Maßnahmen einbezogen. Auf kommunalen Kläranlagen ist der Bau einer weitergehenden Behandlungsstufe als wesentliche Maßnahme zur Reduzierung von Mikroschadstoffen im Abwasser zu nennen. Da es sich nach der Entfernung von Partikeln, Kohlenstoff und Nährstoffen um einen weiteren Behandlungsschritt auf der Kläranlage handelt, wird auch von der vierten Reinigungsstufe gesprochen.

Bei kommunalen Kläranlagen wird in Nordrhein-Westfalen nicht generell die Anforderung erhoben, den Eintrag von Mikroschadstoffen über eine erweiterte Behandlung zu reduzieren, sondern dort, wo es die Belastung und der ökologische Zustand bzw. das ökologische Potenzial des Gewässers erfordert (Belastungsschwerpunkte). Der Maßnahmenbedarf für den Ausbau kommunaler Kläranlagen wurde für den dritten "Bewirtschaftungsplan 2022-2027 für NRW" nach Programmaßnahme 4 (Ausbau kommunaler Kläranlagen, Reduzierung sonstige Einträge) ermittelt und in das Maßnahmenprogramm aufgenommen. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass für über 100 kommunale Kläranlagen in Nordrhein-Westfalen ein Ausbau mit einer Anlage zur weitergehenden Mikroschadstoffreduktion vorgesehen ist.

EU-Kommunalabwasserrichtlinie

Mit Inkrafttreten der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie (EU 2024/3019 vom 27.11.2024) am 01.01.2025 wird die sogenannte Viertbehandlung zur Reduktion von Mikroschadstoffen aus Abwasser eingeführt. Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Ausbaugröße von 150.000 EW und mehr sind anhand vorgegebener, zeitlicher Quoten bis spätestens 2045 sukzessive mit Verfahrenstechniken zur Mikroschadstoffreduzierung auszustatten. Zielsetzung ist eine mindestens 80%-ige Entfernung von Mikroschadstoffen im Abwasser. Bei Anlagen in der Größenordnung von 10.000 EW und mehr bis 149.999 EW richtet sich der Ausbau von Anlagen nach einem risikobasierten Ansatz, der spätestens bis zur geforderten Umsetzung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie in nationales Recht bis zum 31.07.2027 definiert sein muss.

Für die Finanzierung der Viertbehandlung ist die Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung vorgesehen. Demnach müssen Hersteller, die in der Europäischen Union Arzneimittel und Körperpflegeprodukte in Verkehr bringen, mindestens 80% der Kosten für die erforderlichen Investitionen sowie den Betrieb der Viertbehandlung durch ein System der erweiterten Herstellerverantwortung finanzieren.

Kläranlagenausbau in Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen müssen nach derzeitigem Stand 43 kommunale Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von 150.000 EW und mehr mit einem Verfahren zur Mikroschadstoffreduzierung ausgebaut werden. Insgesamt sind in Nordrhein-Westfalen bereits zehn der 43 Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von 150.000 EW und mehr ausgebaut, im Bau oder in Planung.

Die Mikroschadstoffstrategie des Landes verfolgt bisher einen immissionsseitigen Ansatz für den Ausbau kommunaler Kläranlagen. Über Anforderungen der aktuellen EU-Kommunalabwasserrichtlinie werden u.a. auch emissionsseitige Anforderungen insbesondere für größere Kläranlagen zur Mikroschadstoffreduzierung zu berücksichtigen sein. Alles in allem ist davon auszugehen, dass in den nächsten zwei Jahrzehnten eine Vielzahl der kommunalen Kläranlagen in Nordrhein-Westfalen zusätzlich mit Verfahrenstechniken zur Mikroschadstoffreduzierung auszustatten sind, um einerseits die Anforderungen der EU-Kommunalabwasserrichtlinie einhalten und andererseits Stoffeinträge über Abwassereinleitungen von kommunalen Kläranlagen in Gewässer so weit wie möglich reduzieren zu können.

Der aktuelle Stand des Kläranlagenausbaus mit einer Verfahrensstufe zur Mikroschadstoffreduzierung ist auf der interaktiven Karte dargestellt.